Birgit Klein, Sie sind Expertin für Gesundheitsförderung: Welche Verhaltensweisen oder Symptome sind typisch für übermässigem Stress bei Mitarbeitenden?
Es gibt eine ganze Liste von Verhaltensweisen, die als Führungsperson beobachtbar sind und die Warnsignale darstellen. Das reicht von gehäuften Absenzen, verminderter Leistung, unfreundlicherem Verhalten, Rückzug bis zu einer weniger gepflegten Erscheinung. Als Führungsperson ist es nicht wichtig, eine solche Liste im Kopf zu haben, sondern durch Nähe zu und Interesse an den Mitarbeitenden wahrzunehmen, wenn sich etwas verändert.
Welche Rolle spielen Führungskräfte bei der Prävention von Burnout in ihren Teams?
Führungspersonen unterschätzen oft ihren Einfluss auf die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden. Dabei beeinflussen sie die Gesundheit der Mitarbeitenden direkt durch ihr Führungsverhalten, aber auch indirekt durch die Arbeitsgestaltung. Zudem sind Führungspersonen starke Vorbilder und wenn die Führungsperson sich selber gesundheitlich verhält, dann hat das eine präventive Wirkung.
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«Die beobachtete Verhaltensänderung steht dabei im Vordergrund und nicht eine allenfalls verminderte Leistungsfähigkeit.»
Welche Strategien können Führungskräfte anwenden, um mit Mitarbeitenden über Stress und Burnout zu sprechen, ohne sie zu überfordern oder zu stigmatisieren?
Es ist eine Führungsaufgabe, Veränderungen bei den Mitarbeitenden wahrzunehmen und dann den Mut zu haben, die Mitarbeitenden darauf anzusprechen. Das ist nicht immer einfach, insbesondere, wenn der Mitarbeitende z.B. weniger gepflegt zur Arbeit erscheint als gewohnt. Eine wichtige Basis für ein solches Gespräch ist das echte Interesse der Führungsperson am Wohlbefinden des Mitarbeitenden. Solche Gespräche sind dann erfolgreich, wenn ein Vertrauensverhältnis besteht und die Führungsperson die eigene Wahrnehmung schildert und eine Besorgnis zum Ausdruck bringt.
Die beobachtete Verhaltensänderung steht dabei im Vordergrund und nicht eine allenfalls verminderte Leistungsfähigkeit. Wählt man den Weg über die Leistung, dann landet man schnell in einer Diskussion über «Probleme» im Arbeitsalltag und der Aspekt der Gesundheit rückt in den Hintergrund. Das ist nicht zielführend.
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«Den Einstieg ins Gespräch bitte nicht mit langem Smalltalk verzögern, sondern rasch zur gemachten Beobachtung kommen.»
Wie können Führungskräfte den richtigen Zeitpunkt und die richtige Vorgehensweise wählen, um Mitarbeitende auf mögliche Burnout-Symptome anzusprechen und ihnen Hilfe anzubieten?
Es hat sich bewährt, eine wahrgenommene Veränderung des Mitarbeitenden zeitnah anzusprechen und nicht darauf zu hoffen, dass es sich von allein regelt. Ein solches Gespräch sollte ohne oder nur mit einer kurzfristigen Vorankündigung in einem geschützten Raum stattfinden. Führungspersonen sollten sich für solche Gespräche genügend Zeit einplanen, weil ein solches Gespräch länger dauern kann als erwartet. Den Einstieg ins Gespräch bitte nicht mit langem Smalltalk verzögern, sondern rasch zur gemachten Beobachtung kommen. Diese sollte klar, konkret und möglichst nicht wertend geschildert werden mit «ich-Botschaften», also «mir ist aufgefallen…» oder «ich mache mir Sorgen…». «Aus meiner Sicht bist du überfordert…» ist einerseits eine ich-Botschaft, andererseits aber auch wertend und kann zu Rechtfertigungen und Ablehnung seitens des Mitarbeitenden führen. Aus diesem Grund lohnt es sich, sich gedanklich auf das Gespräch vorzubereiten. Nachdem die Führungsperson geschildert hat, was sie beobachtet hat, sollte sie vor allem eins tun, zuhören. Hilfe anzubieten ist nie falsch, insbesondere, wenn diese niederschwellig ist. Dies kann sein, indem man signalisiert, dass man jederzeit gesprächsbereit ist oder indem man den Mitarbeitenden auf geeignete Webseiten und/oder an den Hausarzt verweist.
Welche Unterstützungsmassnahmen können Führungskräfte einführen, um das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu fördern?
Der Einfluss der Führungsperson auf die Gesundheit der Mitarbeitenden ist gross. Sich als Führungsperson also selber gesundheitlich zu verhalten bildet die Basis für ein gesundes Arbeitsumfeld. Nähe zu den Mitarbeitenden ist wichtig und gewinnt in Zeiten von Homeoffice und Workation noch an Bedeutung. Zudem sind altbekannte Leadership-Qualitäten gefragt. Mitarbeitende begeistern, inspirieren und ihnen Wertschätzung geben und Vertrauen schenken sind nach wie vor wichtige Eckpfeiler einer guten Führung und eben auch einer gesunden Führung.
Welche Rolle spielt die Unternehmenskultur bei der Entstehung oder Prävention von Burnout? Was können Führungskräfte tun, um ein gesünderes Arbeitsumfeld zu schaffen?
Eine schlechte Unternehmenskultur kann ein Burnout begünstigen, aber ist nicht der alleinige Auslöser für eine solche Erkrankung. Mitarbeitende können sich dann entfalten, wenn sie sich bei der Arbeit wohl und wertgeschätzt fühlen, wenn sie Fehler machen dürfen und das Klima von Fairness und einem Miteinander geprägt ist. Führungskräfte, insbesondere im Mittleren Management, können die Rahmenbedingen wie den Lohn, die Arbeitszeiten, die Prämien usw. oft nur bedingt beeinflussen. Sie haben aber einen entscheidenden Einfluss auf die «weichen» Faktoren, die für viele Mitarbeitenden genauso wichtig sind. Dazu gehört u.a. auch, dass man als Führungsperson Konflikte aktiv angeht, Entscheidungen trifft, offen und transparent kommuniziert und eine adäquate Belastung im Auge behält, um eine Über- oder Unterforderung zu vermeiden.
Birgit Klein

Birgit Klein ist Projektleiterin Gesundheitsförderung am Institut für Arbeitsmedizin (ifa) in Baden. Sie verfügt über einen Weiterbildungsmaster MAS in Gesundheitsförderung. Birgit Klein berät und schult Firmen und deren Mitarbeitende.






