Flurina Rigling, wann sassen Sie zum ersten Mal auf einem Velo?
Das war als Kind zu Hause in Hedingen, natürlich noch mit Stützrädern. Wie bei fast allem, das ich ausprobiere, hat es auch mit dem Velofahren etwas länger gedauert, weil ich zuerst meine eigene Technik entwickeln und Anpassungen vornehmen musste. Anfänge sind für mich oft frustrierend, doch ich bin ehrgeizig, und meine Erfahrungen bestärken mich darin, dass man mit Üben und Tüfteln seine Ziele erreichen kann.
An Händen und Füssen fehlen Ihnen je vier von fünf Strahlen, Sie können Ihre Wadenmuskulatur nicht einsetzen. Was bedeutet das für das Fahrradfahren?
Ich lebe seit Geburt mit diesem Handicap und so hat mein Körper verschiedene, intuitive Kompensationsmechanismen entwickelt. Als ich dann aber zum ersten Mal auf einem Rennvelo ohne Anpassungen sass, schwitzte ich Blut: Ich konnte mich mit meinen Händen entweder festhalten oder die Bremsen greifen, aber beides gleichzeitig? Keine Chance. Technologie war die Lösung – nur musste diese für mich zuerst erfunden werden. Mein Vater und mein langjähriger Velomechaniker bastelten erste Prototypen spezieller Lenkervorrichtungen aus Giesskannen. Heute fahre ich mit einem massangefertigten Lenker, den ein ETH-Ingenieur entwickelt hat. Und meine Veloschuhe sind aus dem 3D-Drucker.
An der Strassen-WM 2024 in Zürich waren Regel- und Parasport vereint. Ein ausgewogenes Abbild der Gesellschaft, sozusagen.
In Zürich wurde ein wichtiges Zeichen für die Inklusion gesetzt. Wir brauchen solche Leuchtturmanlässe, weil sie uns Parasportler*innen Sichtbarkeit geben und wir zeigen können, welche Höchstleistungen trotz Handicap möglich sind. Schön war in Zürich auch, dass das gesamte Schweizer Team im selben Hotel einquartiert war.


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«Mein Handicap hat mich gelehrt, bereits auf dem Weg Erfolge zu feiern statt erst im Ziel, wo sie nicht garantiert sind.»
Das Jahr 2024 war Ihr bisher erfolgreichstes: Acht Medaillen an Weltmeisterschaften und Paralympischen Spielen. Können Sie überhaupt noch verlieren?
Ich bin sogar eine ziemlich gute Verliererin (lacht). Meine Karriere besteht längst nicht nur aus Medaillen und Erfolgen. Mein Handicap hat mich gelehrt, bereits auf dem Weg Erfolge zu feiern statt erst im Ziel, wo sie nicht garantiert sind. Das prägt mich auch im Sport.
In welchen Momenten würden Sie das Rennvelo gerne im Keller lassen?
Wenn es draussen nass und kalt ist und ich trotzdem für vier Stunden aufs Velo oder den monotonen Rollentrainer muss. Seit den Paralympics in Paris und den Weltmeisterschaften in Zürich hatte ich viele Termine und kaum Freizeit oder Ferien, auch weil ich noch mein Masterstudium beendet habe. Das zehrt an den Kräften. Deshalb schaffe ich mir jeden Tag kleine Erholungsinseln.
Bildquelle: © frontalvision





