Barbara Schillig nimmt sich Zeit. 30 Minuten, um genau zu sein, und das für jede*n ihrer Patient*innen. In der heutigen Medizin ist das viel. Doch Barbara Schillig braucht die Zeit, um zum Beispiel einen 12-jährigen Buben mit Diagnose ADHS systematisch zu befragen. Wie reagiert er auf Berührungen, wie auf Geräusche? Wird ihm schnell heiss? Und wenn er isst, würzt er nach? Es sind Fragen, die keinen strengen naturwissenschaftlichen Regeln folgen. Dennoch werden sie Barbara Schillig später helfen, das passende homöopathische Arzneimittel zu finden. So viel steht jetzt schon fest: Ritalin zu verschreiben, wäre schneller gegangen.
Fachärztin und Homöopathin
Vor 32 Jahren begann Barbara Schillig ihre Ausbildung zur Homöopathin, seit rund zwanzig Jahren ist sie selbst Ausbilderin in Homöopathie. Gleichzeitig ist sie Schulmedizinerin – wie ihr Vater, der zwischen 1960 und 2005 Hausarzt in Schiers war.
«Mein Vater war geprägt vom Fortschrittsglauben der Nachkriegszeit», erinnert sich Barbara Schillig. Die Medizin machte damals gewaltige Fortschritte, Antibiotika oder Cortison galten mit Recht als Wundermittel. Auch der Arztkoffer von Dr. Alex Schillig war gefüllt mit chemischen Medikamenten. Allerdings wurde Dr. Schillig, der «Landarzt», früher tatsächlich nur in Notfällen gerufen oder aufgesucht. Am Anfang stand stets die Selbstheilung mit Unterstützung von Hausmitteln. Das war auch bei den Schilligs zu Hause nicht anders. «Wenn wir krank waren, kümmerte sich unsere Mutter mit Wadenwickeln und Kräutertees um uns», erzählt Barbara Schillig. «Erst wenn wir halb im Delirium lagen, kam der Vater mit Medikamenten.»
Die Natur als Apotheke
1983 begann Barbara Schillig ihr Studium der Medizin, das sie 1989 mit dem Staatsexamen in Bern abschloss; danach folgte die Facharztausbildung zur Allgemeinmedizinerin. 1992 nutzte sie ein Zeitfenster zwischen zwei Ausbildungsstätten für eine Südamerikareise. Und dort, im dichten Dschungel des Amazonasgebiets, weitete sich unverhofft ihr Blick auf die Medizin. Der indigene Tourguide schlug mit seiner Machete in einen Holzstamm. Eine milchige Flüssigkeit trat aus dem Stamm, die der Guide mit einem Blatt auffing und trank. «Das ist gut für die Leber, damit entgiften wir unseren Körper», erklärte er. Der Wald sei ihre Apotheke.
Zusatzausbildung zur Homöopathin
Damit war das Interesse für Naturheilkunde bei Barbara Schillig geweckt. Vier Jahre später schloss Barbara Schillig neben der fachärztlichen auch ihre homöopathische Ausbildung ab.
In Bern und später in Biel widmet sie sich vor allem der Frauenmedizin, wo homöopathische Behandlungen – etwa bei Menstruationsbeschwerden – besonders hohe Erfolgsquoten haben. Dennoch sagt sie: «Die Homöopathie bleibt ein ergänzendes Angebot zur Schulmedizin.» Als ihr Vater 2008 an Krebs erkrankte, gab es keine komplementärmedizinische Alternative zur Chemotherapie. Doch linderten die homöopathischen Arzneimittel, die ihm seine Tochter verschrieb, die Nebenwirkungen.
Rückkehr zu den Wurzeln
2016 zieht Barbara Schillig nach Schiers zurück, wo sie eine Hausarztpraxis für Allgemein- und Komplementärmedizin führt. Barbara Schillig schätzt, dass 70 Prozent ihrer Patient*innen komplementärmedizinische Behandlungen in Anspruch nehmen – «vor allem Kinder», wie sie sagt. Kinder wie der zwölfjährige Junge mit ADHS, der jetzt bei ihr sitzt. «Ich tue mich schwer, Kinder sofort auf Ritalin zu setzen», sagt Barbara Schillig. Nach der gründlichen Anamnese macht sie sich auf die Suche nach dem geeigneten Arzneimittel. Es gibt Hunderte homöopathische Wirkstoffe, die aus Pflanzen, Tieren oder Mineralien gewonnen werden. Mithilfe eines dicken Buchs, des sogenannten Repertoriums, sowie einem digitalen Tool gelangt Barbara Schillig schliesslich zum richtigen Mittel. Und der Junge hat Glück. Drei Monate später ist er zwar immer noch kein Musterschüler. Dennoch hat die homöopathische Behandlung den Jungen beruhigt und seine Konzentrationsfähigkeit gesteigert. Ganz ohne synthetische Chemie.
Dr. Barbara Schillig war Gast in unserem Podcast. Mit Moderator Fabio Nay geht die Hausärztin Erkältungs-Mythen auf den Grund, spricht über bewährte Mittel aus der Schul- und Komplementärmedizin und wann ein Arztbesuch sinnvoll ist.